Pressemeldungen

20.03.2003

Kürzungen im Gesundheitssystem treffen die Schwächsten - Deutsche Hospiz Stiftung fordert Tagesbudgets für Sterbende

Dortmund. „Ich hoffe, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder Mut zu echten und grundlegenden Veränderungen hat“, sagte Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, am Donnerstag in Berlin. Der Kanzler hatte in seiner Regierungserklärung vom Freitag „Mut zu Veränderungen“ gefordert. Angekündigt wurden jedoch lediglich weitere Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme. Die Befürchtung der Deutschen Hospiz Stiftung: „Diese Kürzungen werden wiederum nur die Schwächsten treffen.“ Brysch forderte daher bei der Pressekonferenz im Roten Rathaus im Beisein der Berliner Sozialsenatorin Heidi Knacke-Werner den Kanzler auf, es nicht bei Lippenbekenntnissen zu lassen. Vielmehr müsse den Schwerstkranken und Sterbenden ein Mitspracherecht über die Verwendung der Gelder gegeben werden. Zuvor hätten die Menschen schließlich ihr ganzes Leben in die Krankenversicherung eingezahlt.

Änderungsvorschläge sind ausgereift

Als Patientenschutzorganisation für die Betroffenen legte die Deutsche Hospiz Stiftung Vorschläge auf den Tisch, wie dieser großen Gruppe – immerhin sterben jährlich etwa 850 000 Menschen in Deutschland – wirksam geholfen werden könne. „Wenn die Bundesregierung wahrhaftige Veränderungen will, sind wir gern bereit, sie dabei zu unterstützen“, sagte Brysch. Natürlich werde man dann die Lobbyisten gegen sich haben, die um ihre Besitzstände fürchten. Aber bei dem Thema dürften die Interessen der Menschen nicht hinten anstehen. „Es kann doch nicht sein, dass immer mehr Geld aus immer weniger Versicherten herausgeholt wird, jedoch immer weniger Qualität und immer schlechtere Versorgung bei den Menschen ankommen“, sagte Brysch.

Statt mehr Geld auszugeben oder wahllos Leistungen zu kürzen, müsse zunächst das vorhandene Budget umgeschichtet werden. Denn etwa 60 Prozent der jährlichen gesamten Gesundheitsausgaben in Höhe von ca. 218 Milliarden Euro (statistisches Bundesamt für 2000) werden für die Sterbenden verwendet. Pro Patient sind das gut 150 000 Euro, die in den letzten zwölf Lebensmonaten gezahlt werden. Oder anders gesagt: 420 Euro werden pro Tag für einen Sterbenden ausgegeben, ohne dass dieser ein Wörtchen dabei mitzureden hat, was mit ihm gemacht wird.

„Mit einem Tagesbudget von 250 Euro, über die der Patient selbst verfügen kann, wäre jeder Mensch schon gut in der Lage, sich ein Sterben nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu leisten“, erklärte Brysch. Die Folge von Tagesbudgets, die schon seit Jahren erfolgreich im Ausland eingesetzt werden: Schwerstkranke mit der gleichen Krankheit müssen nicht mit Fallpauschalen einheitlich behandelt werden, sondern können ganz unterschiedliche Hilfen erfahren, die sich am Willen der Patienten orientieren. Brysch: „Das wäre ein gerechter Umgang mit den Beiträgen zur Krankenversicherung. Außerdem würden gleichzeitig Palliative-Care-Dienste in großer Zahl entstehen, einfach weil die professionelle Begleitung Sterbender plötzlich viel stärker nachgefragt würde.“

Förderung von Hospizdiensten ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Anlass für die Pressekonferenz war die Übergabe von 60 000 Euro Fördergeldern an zwei Berliner Hospizvereine. Die Hospizinitiative „Gemeinschaftshospiz Christophorus“ am Krankenhaus Havelhöhe war für ein Modellprojekt mit 20 000, der DRK-Kreisverband Wedding /Prenzlauer Berg für seine Arbeit mit 40 000 Euro gefördert worden. „Hospizförderung durch die Deutsche Hospiz Stiftung kann letzten Endes nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, die wirklichen Veränderungen muss der Staat selbst schaffen“, erklärte Brysch.

Hintergrund

Die gemeinnützige und unabhängige Deutsche Hospiz Stiftung ist die einzige Patientenschutzorganisation der Schwerstkranken und Sterbenden in Deutschland. Sie hat über 50 000 Förderer und Mitglieder. Schirmherrin ist die Schauspielerin Uschi Glas. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen DZI hat der Stiftung sein Spendensiegel verliehen, das Markenzeichen seriöser spendensammelnder Organisationen.